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ein brisanter konflikt

Biopiraten: Finger weg vom Saatgut

Stell Dir vor, Du musst Dein Haushaltsbuch jedes Jahr an Aldi, Globus und Karstadt schicken. Und wenn Du aus drei gekauften Ikea-Regalen ein großes neues baust, musst Du an Ikea Nachbaugebühren zahlen, da Du ihre Produkte für ein neues Anliegen verwendet hast.

UNVORSTELLBAR! Aber genau so geht es den Bauern und Bäuerinnen in Deutschland. Traditionell ist es in der Landwirtschaft üblich, Teile der Ernte eines Jahres aufzubewahren um sie im nächsten Jahr wieder auszusäen - dies nennt man Nachbau. Jahrhunderte lang züchteten BäuerInnen auf diese Weise, durch Auslese und Nachbau, neue Getreide- oder Kartoffelsorten, die den jeweiligen Standortbedingungen der Soester Börde, des Rheinlandes oder der Hocheifel angepasst waren. Dies gehört jedoch der Vergangenheit an: Heutzutage ist fast die gesamte Züchtung aus den Händen der BäuerInnen in die der Pflanzenzüchter übergegangen und BäuerInnen müssen nun beim jährlichen Saatgutkauf Lizenzgebühren an die Züchter entrichten. Zu dieser Neuerung kommt außerdem, dass sich die Züchter in Zusammenarbeit mit der Politik in den letzten Jahren etwas besonders Perfides ausgedacht haben. Nicht nur sehr bedrohlich, dass immer mehr Pflanzen durch Patente einem besonders exklusiven "Schutz" unterliegen sondern auch die Einführung von Gebühren - sogenannte Nachbaugebühren - auf wiederausgesätes Erntegut, die viele landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz bedroht und den Züchtern weitere Einnahmen sichert. Die BäuerInnen zahlen doppelt: Beim Kauf des Saatgutes und bei der Wiederaussaat der eigenen Ernte!

Der neue Frondienst!

Die Jahrhunderte lang ausgeübte bäuerliche Praxis, von seinen Ackerfrüchten einen Teil für die Aussaat im nächsten Jahr aufzubewahren, wird damit ausgehebelt.

Damit jedoch noch nicht genug: Um überhaupt zu wissen, was die BäuerInnen auf ihren Feldern anbauen, verschickte der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter durch seine Tochter Saatgut-Treuhand-Verwaltungs-GmbH Fragebögen an alle BäuerInnen, mit der Aufforderung anzugeben, was sie auf ihren Feldern anbauen.

BäuerInnen, die sich verweigern durch diese Auskünfte zur gläsernen LandwirtIn zu mutieren, werden mit Gerichtsverfahren überzogen, mit Schreiben von Rechtsanwälten traktiert und kommen ob der bürokratischen Belastung kaum dazu, ihrer Arbeit auf den Feldern nachzugehen. Heute hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil zu dieser sogenannten Auskunftspflicht gesprochen - es bleibt zu hoffen, dass der Trend zur gläsernen LandwirtIn durch das Urteil verhindert wird.

Neuere Entwicklungen im Herbst 2006

In Sachen "Nachbaugebühren" hat sich Spannendes getan: Gleich mehrfach gab der Europäische Gerichtshof den Bauern recht: Aus der Option, achbaugebühren zu erheben, könne keine allgemeine Auskunftspflicht der Bauern abgeleitet werden. Der Gerichtshof urteilte außerdem im Juni 2006, dass die Höhe der Nachbaugebühren mit bis zu 80% der Lizenzgebühren, die beim Saatguteneukauf fällig würden, überzogen ist.

Die Züchter versuchen nun, die Saatgutaufbereiter unter Druck zu setzen, Auskünfte über ihre Kunden zu geben. Saatgutaufbereiter sind Schlüsselpersonen im Nachbau, weil sie das geerntete Getreide beizen, damit es keimfähig bis zur Wiederaussaat überdauern kann. Einige Aufbereiter, wie Klaus Buschmeier aus dem westfälischen Extertal, erklärten öffentlich ihren Widerstand gegen diese Form der Bespitzelung. Obwohl der Druck der Saatgutkonzerne ihn fast die Existenz kostete, gibt er nicht auf. Inzwischen stellte das Oberlandesgericht München fest, dass die Züchter keinesfalls ohne weiteres umfassende Auskünfte von Verpächtern oder Aufbereitern einfordern können.

Nächster Akt: Ein Gesetz

Jetzt soll die Politik ein Nachbaugebühren-Gesetz vorlegen. Das wird spannend. Die besser bezahlten Lobbyisten sitzen auf Seiten der Agrarkonzerne, die Kritik an den Nachbaugebühren ist jedoch bekannt – und die Urteile aus Luxemburg, Karlsruhe und München kann selbst ein konzernfreundlicher Landwirtschaftsminister nicht einfach in den Wind schlagen. Die Bundesregierung sollte sich davor hüten, geistige Eigentumsrechte über Ernährungssouveränität und landwirtschaftliche Vielfalt zu stellen. Denn die Folgen würden weit über die Grenzen der Bundesrepublik und über die gegenwärtige Generation hinausreichen.

Die Nachbaugebühren im allgemeinen müssen vom Tisch, um der Kommerzialisierung von Lebensformen Einhalt zu gebieten.

Den Bauern und Bäuerinnen müssen wieder ihre traditionellen Rechte auf Aufbewahrung, Tausch und kostenlose Wiederaussaat von Erntegut zugesprochen werden.

Nachbaugebühren und Auskunftspflicht in Deutschland dürfen nicht zum weltweiten Präzedenzfall werden - denn besonders die BäuerInnen im Süden sind auf den kostenlosen Zugang zu und Nachbau von Saatgut angewiesen.

Aktuelle Informationen unter www.ig-nachbau.de

Ein Interview von Radion Dreyeckland mit einem Kampagnenmitglied über dieses Thema ist hier beschrieben und kann hier heruntergeladen werden (8 min, 4 MB).

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